Wie das PCK Schwedt zum Politikum wird – ein Beitrag von Patrick Nix
Dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine keine regionale Auseinandersetzung im Osten Europas ist, sondern, ganz im Gegenteil, seine Schatten auch auf Deutschland wirft, wird mit Blick auf die steigenden Energiepreise schnell deutlich. Im Zentrum des Konflikts steht mit dem PCK Schwedt einer der größten Arbeitgeber der Uckermark. Für uns Grund genug, einen genaueren Blick auf dieses Unternehmen zu werfen.
Koloss des Industriezeitalters
Wahrscheinlich kennt jeder Uckermärker dieses Gefühl der Überwältigung. Wer sich aus Richtung Prenzlau kommend der Stadt Schwedt nähert, fühlt sich für einen Moment ganz klein, angesichts der schieren Größe dieses Kolosses des Industriezeitalters, der mit seinen Lichtern den Himmel vor den Toren der Stadt erleuchtet.
Die Raffinerie in Schwedt ist eines der Wahrzeichen der Uckermark, daran besteht wohl kein Zweifel. Das liegt nicht nur an seiner Rolle als einer der größten Arbeitgeber in der Region, sondern auch an seiner Rolle im kollektiven Gedächtnis der Menschen. In Schwedt endet die Pipeline „Freundschaft“, jenes Mammutprojekt, dass seit 1965 die Versorgung Ostdeutschlands mit Rohöl aus dem Westen Sibiriens gewährleistet.
Das sibirische Öl ermöglichte die Herstellung von Produkten, die sich auf dem Weltmarkt verkaufen ließen und die DDR mit dringend benötigten Devisen versorgten. Heute gehören die Autofahrer im Osten zu den Abnehmern von Schwedter Erzeugnissen: Wer in Brandenburg oder Berlin sein Auto betankt, tut dies in der Regel mit Sprit aus Schwedt und damit mit raffiniertem Öl aus Russland. Und genau das ist das Problem.
Durch die Pipeline laufen 25 Prozent des deutschen Erdölbedarfs und dieses Erdöl will bezahlt werden. ( Warum die Pipeline „Freundschaft “ jetzt zum Problem werden könnte (Quelle: RBB) ) Das in Schwedt raffinierte Öl trägt somit zur Finanzierung von Putins Krieg bei und zeigt, wie abhängig Deutschland von der Autokratie im Osten ist. Und so ist nicht nur Deutschland im Großen, sondern auch die Uckermark im Kleinen unmittelbar vom Krieg betroffen. Und das spüren nicht nur die Autofahrer an der Zapfsäule. Die Diskussion um einen Importstopp von russischem Öl und Gas (Ein Gasembargo beendet diesen Krieg nicht (Zeit-Artikel) ) dürfte auch den mehr als tausend Beschäftigten des PCK bereits die ein oder andere Sorgenfalte ins Gesicht gemeißelt haben.
Wem gehört das PCK?
Das PCK rückt allerdings noch in anderer Hinsicht in den Fokus der Aufmerksamkeit. Grund dafür ist die Eigentümerstruktur des Unternehmens, in die jüngst wieder Bewegung kam und die gerade in diesen Zeiten erhebliche Sprengkraft besitzt. So wird aktuell in den sozialen Medien und privaten Diskussionen von der „Rosneft-Raffinerie‘“ gesprochen. Hintergrund: Wer oder was ist eigentlich Rosneft?
Auch in den Medien (Russischer Ölkonzern übernimmt PCK Schwedt fast vollständig (RBB)) liest man dieser Tage immer wieder, dass der russische Staatskonzern mehr als 90 Prozent am PCK hält. Dies ist aktuell jedoch nicht ganz richtig.
Tatsache ist, dass Rosneft bereits seit einigen Jahren bestrebt ist, die Schwedter Raffinerie zu übernehmen. Dazu sammelt der Konzern mehr und mehr Anteile von anderen Großaktionären ein. Bereits 2015 kaufte Rosneft etwa die Anteile von Total. Im gleichen Jahr trat es seine Anteile an der Gelsenkirchener Raffinerie Ruhr Oel an den britischen Multi BP ab und erhielt im Gegenzug dessen Anteile am PCK.
Damit erhielt Rosneft mehr als genug Anteile für eine Sperrminorität. Das bedeutet, dass der russische Staatskonzern Einfluss auf alle Entscheidungen des PCK nehmen konnte, ohne selbst über eine qualifizierte Mehrheit zu verfügen.
Mit Stand vom 15. März hat das PCK nun drei Eigentümer. Darunter befinden sich mit jeweils 37,5 Prozent sowohl die deutsche Tochterfirma von Rosneft ( Rosneft erwirbt 37,5 % an PCK Raffinerie), wie auch der britische Mineralölkonzern Shell . Weitere 25 Prozent hält das Unternehmen AET-Raffineriebeteiligungsgesellschaft. Und spätestens hier beginnt die Geschichte interessant zu werden.
AET selbst ist ein Konsortium mit zwei Gesellschaftern. Darunter befinden sich zum einen der italienische Konzern Eni und zum anderen (Überraschung!) eine weitere Tochter von Rosneft. Gemeinsam mit der AET ist Rosneft also tatsächlich Mehrheitsgesellschafter des PCK. Aber macht das nun die Schwedter Raffinerie zu einem russischen Unternehmen, das vielleicht sogar von den Sanktionen der EU gegen Russland betroffen wäre? Zunächst wohl nicht, schließlich befindet es sich noch immer zu mehr als einem Drittel im Besitz von Shell. Doch genau dieses Drittel entwickelt sich nun zum Politikum, denn Shell will verkaufen.
Shell will raus
Bereits seit einigen Jahren verfolgt Shell die Strategie, sich auf wenige Kernstandorte zu konzentrieren. Im Zuge dessen wollte der Multi seine Schwedter Beteiligung bereits 2016 an den schweizer Konzern VARO veräußern. Der Deal platzte jedoch auf der Zielgeraden und Shell blieb zunächst in Schwedt. 2021 fand sich mit dem estnischen Konzern Lewiathon und dessen Tochter Alcmene ein neuer Käufer.
Während dieser Deal bereits kurz vor dem Abschluss stand, grätschte in letzter Minute Rosneft dazwischen und zog sein Vorkaufsrecht. Rosneft käme damit auf 91,67 Prozent der Anteile. Wäre da nicht die deutsche Bürokratie.
Tatsächlich ist das Geschäft von Shell und Rosneft noch nicht in Papier und Tüten. In Deutschland müssen Geschäfte dieser Größe einige bürokratische Hürden überwinden, bevor sie vollzogen werden. Die erste Hürde stellt das Kartellamt dar. Dieses hat am 23. Februar, ein Tag vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, grünes Licht gegeben. Politische Erwägungen würden in die Entscheidungen des Kartellamts nicht einfließen, hieß es.
Das dürfte bei der nächsten Prüfinstanz ganz anders aussehen. Bevor die Transaktion nämlich abgeschlossen werden kann, muss auch das Bundeswirtschaftsministerium seine Zustimmung erteilen. Dass diese positiv ausfällt, darf angesichts der anhaltenden Gräueltaten in der Ukraine bezweifelt werden.
Viel wahrscheinlicher ist, dass man sich im Haus von Robert Habeck mit einer Entscheidung Zeit lässt. Im Beamtendeutsch heißt das “Untersagung durch Nichtentscheidung” und kennt einige Präzedenzfälle. Papier ist geduldig, warum also mit der Zustimmung zu einem Verkauf ein potenzielles PR-Debakel riskieren. Generell kann so ein Investitionsprüfverfahren aufgrund „besonderer Schwierigkeiten“ mehr als sieben Monate dauern (Investitionsprüfung) und das dürfte auch im Interesse von Shell sein. Das Unternehmen kündigte vor einer Woche an, keine Geschäfte mehr mit Russland machen zu wollen. Dazu passt aber natürlich weder das Schwedter Joint Venture mit Rosneft, noch ein Verkauf an einen russischen Staatskonzern.
Shell steht damit vor der Wahl zwischen zwei Optionen, die beide die eigenen Ankündigungen konterkarieren würden. Nicht unwahrscheinlich also, dass man sich für die dritte Option entscheidet: Nichts tun und hoffen, dass Gras über die Sache wächst. Für das PCK dürfte das also bedeuten, dass sich an der Gesellschafterstruktur erstmal nichts ändert.
Freundschaft!

Autor: Patrick Nix
Prenzlauer. 20 Jahre im Exil, die Heimat aber nie aus den Augen und dem Herzen verloren.
Sauber recherchiert. Es entspricht den Tatsachen und Fakten. Fakt ist, dass bisher immer noch Öl in Schwedt ankommt, trotz des nicht legitimierten Krieges. Sollte der Hahn zugegreht werden, würde dies erhebliche Folgen für den Großraum Berlin/Brandenburg und Ostdeutschland haben. Von einem Zudrehen des Hahnes entweder seitens der Bundesregierung oder von Russland profitiert nur die USA .Die Bevölkerung, insbesondere der Uckermark (Arbeitsplätze und deren Peripherie) leiden. Die Staaten hätten ihr Ziel erreicht, Russland zu schädigen, die EU , insbesondere Deutschland zu knebeln und Amerika wäre wieder great.
Kanzler Bismark hatte den Weitblick Russland nicht zum Feind zu haben und die Geschichte gibt ihm Recht. Darüber sollten wir nachdenken
Der Krieg ist nicht zu rechtfertigen und ich hätte es Putin nicht zugetraut. „Meinst du die Russen wollen Krieg?“ein Spruch aus DDR-Zeiten daran hab ich geglaubt. Die Enttäuschung sitzt tief. Warum?
Ja, auch hier ist die EU und NATO nicht unschuldig. Osterweiterung um jeden Preis, ohne Russlands Sicherheitsintetessen zu beachten, das geht gar nicht. Ich hoffe, dass die Vernunft den Krieg beendet. Der russische Bär ist solange gereizt und in die Enge getrieben worden, bis es sich leidet so entladen hat, was nicht zu billigen ist. Der Ami setzt seine Interessen mit Hilfe Dritter (Syrien, Linien Irak, Afghanistan) dezenter durch.
Хотят ли русские войны? ist kein ’spruch aus ddr-zeiten‘, sondern ein gedicht von jewgenij jewtuschenko, das als lied sehr bekannt wurde. vielleicht sollte es uns alle täuschen.